Auf besonderen Wunsch verlinke ich hier nochmal mein Vorwort aus der Publikation “Social Media_Konversationskunst. Wie wärs denn schön?”
Wie sozial sind die Sozialen Medien? - von Zorah Mari Bauer
Für viele aus der Generation der Digital Natives ist das Internet gleichbedeutend mit Facebook & Co. Sie sind in den Sozialen Netzwerken aufgewachsen. Dass (Mit)Teilen der Motor sozialer Vernetzung ist, Logo! Das haben sie im Blut. Aufmerksamkeit? I Like! Von der neuen, sozialen Währung hat man sowieso nie genug. Doch macht all das kontaktieren, kommentieren, anstubsen und archivieren unsere Gesellschaft wirklich sozialer? Was ist dran an der Sozialen Revolution? Wie sozial sind die Social Tools eigentlich?
Die Digitale Revolution hat die Menschen ermächtigt, ihr Wissen global zu teilen. Die Soziale Revolution lehrt sie nun, dass auch der Einzelne, wenn er sich vernetzt und austauscht, Meinungsautorität und Definitionsmacht erlangen kann. Millionen nehmen also nicht mehr nur die Rolle stillschweigender Informationsempfänger und Konsumenten ein, sondern produzieren täglich auch eigenen Output mit Anspruch auf Öffentlichkeit.
Die wohl wichtigste Konsequenz dieses Rollenwechsels ist, dass die Vielfalt einer Gesellschaft nicht mehr durch das Nadelöhr weniger Experten, Meinungsmacher und Entscheidungsträger muß. Die Verschiebung des gesellschaftlichen Machtgefüges von oben nach unten, von wenigen zu vielen, ist die eigentliche soziale Innovation. Sie wurde möglich durch die freie, offene und nicht proprietäre Erfindung „World Wide Web“.
Erst danach kamen die schlauen Firmengründer von Facebook, Google & Co. Sie krempelten ihre Ärmel hoch und setzten die Web basierten Social Tools in die Welt. Seither bauen sie sie Perpetual Beta zu informationellen Goldgruben aus. Auf den Data‐Mining Abraumhalden lassen ihre digitalen Landschaftsarchitekten nahezu paradiesisch anmutende Walled Gardens entstehen. Hier gibt es eine Fülle an Brauchbarem und noch dazu kostenfrei. Also produzieren wir, karren heran, laden ab ‐ unermüdlich. So sehen unsere ersten Gehversuche im Social Web aus.
Und dabei sind wir in bester Gesellschaft. Die Generation 2.0 funktioniert nämlich nach dem Prinzip der Masse: Je mehr Mitglieder an einer Community partizipieren, desto umfassender ist das Informationsangebot und desto interessanter ist dieser Dienst für die Interessensgemeinschaft. Ein weiterer Grund, warum wir noch an der Nabelschnur der großen Versorger sind: Nur ihnen ist es möglich eine Nachfrage zu bedienen, die im Falle etwa von Youtube schon längst in die Billionen Zugriffe geht. Pro Tag, versteht sich.
Sie allein können in diesen Dimensionen Kapazitäten bereitstellen und einen reibungslosen technischen Ablauf garantieren. Ihre Tools sind komfortabel bedienbar und lassen sich maßgeschneidert und usergerecht skalieren. Die vitalen Hilfeforen werden gepflegt und stehen allzeit bereit mit Rat. Sie kümmern sich um juristische Probleme (z.B. im Urheberrechtsstreit), die unserer Spiellust am Austausch im Wege stehen.
Und so sammeln wir Follower, laden Freunde ein, posten News und schicken Private Messages, wir gründen Gruppen, verlinken uns und legen Diashows an, um wenigstens für den Moment die wunderbare neue Droge Aufmerksamkeit zu inhalieren. Wann bleibt da noch Zeit auch mal auszuzoomen, sich zu fragen: Was mache ich? Warum mache ich das? Für welchen Preis? Und was daran ist sozial an diesen Social Tools?
Erst allmählich beginnt sich die Zivilgesellschaft in diesem Environment als relevanter Stakeholder zu begreifen und solche Fragen zu stellen. Kritische Stimmen reflektieren die Besitzverhältnisse User generierter Daten. Wie hoch darf der Preis für die freie Nutzung einer technisch funktionierenden Infrastruktur eigentlich sein? Visionäre vermelden, dass die nächste,
die mobile Revolution weg von den virtuellen Massen und hin zum “glokalen” Individuum führt.
Dann stellt uns der Parameter „Location“ wieder – nun digital vernetzt ‐ den Nahbereich sozialen Handelns und Verhaltens bereit. Um dessen vielfältige Potentiale zu erschließen, dürfen wir jedoch nicht allein den Global Playern und Marktführern die Definition überlassen, was in einer digital vernetzten Gesellschaft 3.0 „sozial“ ist.
Aus: “Social Media_Konversationskunst. Wie wärs denn schön?” Hrs. von Kurd Alsleben, Antje Eske, Zorah Mari Bauer, Verlag: kuecocokue, edition Norderstedt