Freitag, 26. Oktober 2012

Semantic Media Web


Maya Stufenpyramide, 3D-Rekonstruktion
Foto by Wikipedia - GROSSANSICHT


INNOVATIONSFORUM

Anfang dieser Woche fand das zweitägige „Innovationsforum Semantic Media Web“ in den Räumen des Berliner Tagesspiegel statt. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie man aus den wachsenden Datenströmen, die wir als digital Handelnde hinterlassen, Informationen maschinell extrahieren kann. Wie lassen sich daraus automatisiert und selbstorganisiert neue Zusammenhänge, neues Wissen, neue Produkte generieren? Welche innovativen Geschäftsmodelle für die Kultur- und Medienbranche werden in dieser nächsten Etappe des Web entstehen?

Wo bei konventionellen Konferenzen mit Fokus auf den Vorträgen Zeit für gerade mal ein paar Publikumsfragen bleibt, erwies sich beim Innovationsforum das Diskurs orientierte Austauschformat als produktiv für die Bearbeitung des komplexen und visionären Themengebiets. Verlage stellten ihre datengetriebenen Projekte vor und TV, Kulturgüter, Open Data und Open Government wurden in Workshops reflektiert.

DIE ZUKUNFT VON SEMANTIC MEDIA WEB

Es ist erstmal bloß ein Bauchgefühl, dass Semantic Media in größerem Ausmaß als heute erahnbar unsere Zukunft wird. Aber warum? Wieso? In welcher konkreten Form? Die Märkte der Zukunft werden dynamisch, individuell und aus einem mobilen Lifestyle heraus vor Ort Bottom-up generiert. Sie sind das Ende der hinkenden Zielgruppen Strategie. Wie will man also unscharfe Environments wie diese Mikromärkte von Morgen wirtschaftlich, kulturell begehbar machen?

Eine maschinelle Aufbereitung der unüberschaubaren, heterogenen Informationsströme ist sicherlich die einzige realistische Option. Denn für das Kundenbedürfnis wird im Internet der Dinge aus einer Auswahlvielfalt spontan das passende Produkt aggregiert. Dass das nicht funktionieren kann, wenn wir weiter von Hand unsere Welt mittels Tags mühsam taxonomieren, liegt nahe. Folksonomy kann nicht die Zukunft sein! Algorithmen werden bei diesem next Big Step eine treibende Kraft. Und wie bei jedem Systemwechsel hat auch diese Medaille zwei Seiten.

BEISPIELE DES SEMANTIC MEDIA WEB?

Ein kritisiertes Beispiel erinnere ich von einem Symposion in 2008. Die Wissenschaftlerin Iris Meyer referierte zum Thema „Erkennung von 'Micro Expressions'" folgendes: Eine Passantin sitzt wartend in der U-Bahn Station. Sie wird als mögliche Selbstmord Kandidatin von der Micro Expressions Überwachungs-Software identifiziert. Schließlich hat sie schon einige Züge passieren lassen und verharrt mit geneigtem Haupt. Das deutet laut Pattern auf Selbstmordkandidaten hin. Dass sie nur liest, hat die Software (noch) nicht erkannt.

Ein faszinierendes Beispiel habe ich 2009 auf der Ars Electronica, einem Festival für Medien, Kunst und Gesellschaft, gesehen. Hier werden anhand reiner Datenpunkte (Scan und Geodäsie) verloren gegangene Kulturgüter in 3D rekonstruiert und real begehbar gemacht. In Zukunft kann man also jenseits eines Screens im virtuell-realen Cyberspace in Pyramiden und durch ein wieder auferstandenes Pompeii flanieren und mit deren rekonstruiertem Alltag interagieren.

Wenn die virtuelle und die reale Welt zusammenwachsen, wird das Semantic Media Web also voll atemberaubender, aber auch kritikwürdiger Möglichkeiten sein. Diese auszuhandeln wird hoffentlich im qualifizierten gesamtgesellschaftlichen Diskurs geschehen.